Der Krieg ändert sich nie: Stellungnahme der Zeitschrift “Nihilist” bezüglich eines möglichen Angriffs auf die Ukraine

Der russische Staat schüchtert die Ukraine weiterhin mit einer Militärinvasion ein. Diesmal gehört zu den Plänen des diktatorischen Regimes von Wladimir Putin ein offener, umfassender, konventioneller Krieg durch die reguläre Armee. Um seine Absichten zu bestätigen, demonstriert das „Bruderland“ seine Transportzüge voller Militärausrüstung, welche an die ukrainische Grenze transportiert werden, sowie Hunderttausende von Soldaten und gespendeten Vorräten von Blut.

Gleichzeitig präsentiert die Führung von Moskau dem Westen absurde Ultimaten und verbreitet über ihre Propagandisten weltweit ein manisches geopolitisches Narrativ: Das Militärbündnis der Nato habe sein Versprechen bezüglich der Osterweiterung nicht eingehalten.

Russische Diplomaten fordern, dass die NATO schriftlich zusagt, Ukraine und Georgien nicht in ihre Reihen aufzunehmen und drohen, dass die westliche Welt eine harte Antwort bekommen würde, wenn diese Bedingung nicht erfüllt werde. Offensichtlich ist die Antwort ein Angriff auf die Ukraine, welcher durch die wahnsinnige Konzentration russischer Truppen an unseren Grenzen bestätigt wird.

Natürlich sind solche Forderungen an den Westen, sowie Vorwürfe des Verrats nicht vorhandener Versprechen durch die NATO, nur eine weitere Manipulation, um die Aufmerksamkeit der Welt von einer einfachen Tatsache abzulenken: In Moskau tagt eine faschistische Regierung, dermaßen befreit von innerer Kritik, dass es wegen unverständlicher und unnötiger Ziele einen weiteren Krieg in Europa beginnen kann.

In Russland gibt es weder eine Opposition noch demokratische Institutionen, welche die Entscheidungen der Führung beeinflussen könnten. Die russische Bevölkerung kann die außenpolitischen Entscheidungen ihrer Regierung entweder unterstützen oder ablehnen, jedoch spielt es keine Rolle. Die Kreml-Regierung wird von niemandem gewählt oder kontrolliert, ihre Politik keimt lediglich im Kopf des narzisstischen Diktators und seiner besessenen Generäle auf. Wir haben keine genauen Informationen über die Motive der russischen Führung aufgrund der Intransparenz ihrer Entscheidungen und ihrer allgemeinen Absurdität.

Die einzig schlüssige Hypothese, die unser Magazin aufstellen kann, ist, dass die herrschende Klasse Russlands am Rande einer politischen und wirtschaftlichen Krise steht und bereit ist, alles zu tun, um den eigenen Untergang hinauszuzögern. Falls Putins System die Finanzströme verliert, welche in den vergangenen Jahrzehnten für Loyalität gesorgt haben, wird sein Konstrukt zusammenbrechen.

Die Entscheidungsträger im Kreml wollen das Schicksal von Viktor Janukowitsch und seiner Verbündeten nicht teilen. Am Beispiel der ukrainischen Revolution von 2014 verstehen sie, dass sie nicht nur Positionen, sondern auch ihre Köpfe verlieren werden. Der russische Staat wiederum wird die Rolle des militarisierierten Imperiums für eine lange Zeit verlieren. Angesichts der Herausforderungen der Zeit und der moralischen Verkommenheit ihrer Regierung und des Staates können sie sich weder Zugeständnisse leisten, noch die Kontrolle zu verlieren. Schließlich ist das russische Regime nicht nur eine ideallose Kleptokratie, sondern auch ein bunter Hexenkessel verschwörerischer Weltanschauungen, fetischisierter Nostalgie, totalitärer und autokratischer imperialer Vergangenheit und krankhafter Urteile über Mensch und Welt.

Russische Generäle, Regierungsbeamte und Berater des Diktators sind eine tollwütige Brut, deren Tage längst gezählt sind. Bereit dafür, alle in ihrer Reichweite in die Hölle mitzunehmen. An der russisch-ukrainischen Front haben wir einen Konflikt, der nicht durch Versöhnung und gegenseitige Zugeständnisse gelöst werden kann, da dies kein Streit zwischen gleichberechtigten Gegnern über außenpolitische Fragen ist. Es ist ein Konflikt zwischen einem Regime und seiner ehemaligen Kolonie, bei dem es ihrerseits um Beherrschung und Versklavung und unsererseits um Emanzipation und Entkolonialisierung geht. Die Ukraine bewegt sich auf einen demokratischen Wandel zu und obwohl dieser bisher eher schwach ist, ist Putin bereits unzufrieden.

Unserer Ansicht nach ist Russlands Position in diesem Konflikt, zu glauben, dass die Unabhängigkeit der Ukraine eine tödliche Bedrohung für ein halb zerfallenes russisches Imperium darstellt und je weiter sich die Ukrainer von der „russischen Welt“ entfernen, desto größer ist die Bedrohung für ihre Kolonisierer. Der Kreml glaubt, dass die „historische Mission“ Russlands weiterhin als Vorbild zu betrachten, scheitern wird, wenn seine nächsten Nachbarn, die ehemaligen Sowjetrepubliken, die für diktatorischen Regierungsformen viel zu zerstörerischen und emanzipatorischen „westlichen Werte“ übernehmen. Der aktuelle Krieg kann in dem Sinne nicht friedlich gelöst werden, da die Ukraine nichts von Russland will, außer die Unterdrückung zu beenden, die besetzten Gebiete zu befreien und für die Schäden und alle Verluste aufzukommen. Die Ukraine hat Russland nicht angegriffen oder auch nur versucht, Bürger mit russischer Identität zu diskriminieren: Russischsprachigkeit und russische Kultur sind immer noch Zeichen der Zugehörigkeit zu einem privilegierten Umfeld. Die erfolgreichsten Politiker und Geschäftsleute der Ukraine sind russischsprachig (zumindest bis 2014) und haben einen russischen kulturellen Hintergrund.

Unter solchen Umständen sind Versuche, die ukrainische Sprache als einzige Amtssprache zu etablieren und die Quoten dafür im kulturellen Raum durchzusetzen, die einzig logische Antwort auf die zuerst sanfte und dann immer brutalere Art der imperialen „russischen Welt“. Und selbst bedeutende Erfolge bei der Ukrainisierung, De-Russifizierung und Dekommunisierung (trotz all ihrer Mängel und offen gesagt falschen und teils illegalen Entscheidungen) schaffen keine Hindernisse für diejenigen, die auf Russisch kommunizieren und russische Kulturprodukte konsumieren möchten. Es ist offensichtlich, dass eine positive Lösung des Konflikts mit Russland, nur im Falle einer starken Verteidigungsfähigkeit und politischen Offenheit, eines Kurses der Demokratisierung und des ideologischen Pluralismus, sowie Stärkung der  Zivilgesellschaft und Bildung funktionierender Institutionen der Ukraine möglich ist.

Die Pazifisten fordern, dass die Ukraine ihren „Stolz“ schluckt, sich mit dem Unterdrücker an den Verhandlungstisch setzt und im Austausch für Frieden ihre politische Unabhängigkeit und alle demokratischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte aufgibt. Wenn dies passiert, haben die Ukrainer keinen Platz in der Ukraine, und jeder, der mit dem neuen Regime nicht einverstanden ist (in der naiven Hoffnung, dass die Ukrainer nach dem Frieden zu russischen Bedingungen ihre politische Führung frei wählen können), wird entweder auswandern, als Gewissensgefangener im Gefängnis verrotten oder von den Handlangern des Regimes für die Einschüchterung anderer getötet werden. Russland wird nicht aufhören, Repressionen zu fordern und diese umsetzen, bis die Ukraine aufhört, etwas anderes als eine Verwaltungseinheit zu sein.

Aus diesem Grund ist sich die Redaktion unserer Ausgabe bewusst, dass die einzig mögliche Antwort auf die russische Invasion die Verteidigung der Ukraine ist. Wir rufen unsere Leser dazu auf, der Panik nicht zu verfallen und Anstrengungen zu unternehmen für unser friedliches Überleben als souveränes Volk. Sie können den Feind direkt mit der Waffe in der Hand aufhalten, sich um die Verwundeten kümmern, der Versorgung des Militärs helfen, der Organisation für Selbstverteidigung der Zivilbevölkerung beitreten u.v.m. Jegliche Hilfe ist unbezahlbar, denn wir haben was zu verlieren. Wir können an etwas glauben oder nicht, wir können unterschiedlicher Meinungen sein, aber wir sind alle vereint in gemeinsamer Sache – Verteidigung unserer Freiheit und einer unperfekten, aber demokratischen Republik. Solange die Gefahr nicht abgewendet ist, sind interne Konflikte lediglich eine Hilfe für den Feind, der sich nicht um uns und unsere Träume kümmert und unsere bürgerliche Identität hasst. Wir haben etwas, wofür es sich lohnt zu sterben, und am wichtigsten – unsere Opfer werden nicht vergeblich sein.

Wenn Sie nicht in der Ukraine leben, aber unseren Befreiungskampf unterstützen, können Sie mit Geld oder Ihrer eigenen physischen Präsenz helfen – als ziviler und militärischer Freiwilliger, Korrespondent, Streamer oder einfach nur als Blogger. Wir begrüßen jede Form internationaler Solidarität und alle Versuche, der Welt die Wahrheit über unseren Kampf und die aggressiven Aktionen des Nachbarimperiums zu zeigen.

/Übersetzung: Rost Likholat

Ukrainisch

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